Stephan Möllinger: Das Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft hier in Freiburg kam auf uns zu. Die Wissenschaftler*innen hatten ein Photovoltaik-Modul in Leichtbauweise entwickelt, das sich auf LKW-Kofferaufbauten integrieren lässt. Jetzt suchten sie nach einem Projektpartner aus der Logistik, der bereit war, es im Rahmen des Projekts "Lade-PV" drei Jahren lang zu testen. Idealerweise sollte das Modul in einen Elektro-LKW integriert werden.
Wir hatten zu dem Zeitpunkt zwar keinen eigenen E-LKW, denn deren Reichweite ist für die meisten unserer Touren nach heutigem Stand der Technik noch zu gering. Doch wir wollten trotzdem Teil des spannenden Projekts sein! So kam es, dass das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI Dresden uns für den Projektzeitraum einen E-LKW zur Verfügung stellte. Wir haben für ihn eine eigene Stadt-Tour rund um Freiburg konzipiert. So kann er täglich seine 100 Kilometer zurücklegen, ohne nachzuladen. Durch die zusätzliche Solarenergie schafft er im Idealfall 10 Prozent mehr Strecke.
Stephan Möllinger: Beim Fraunhofer ISE laufen derzeit zwei Projekte zur integrierten Photovoltaik in LKW. Das Projekt "PV2Go" misst das Potenzial der Solareinstrahlung auf deutschen Straßen. Dafür sind insgesamt 90 Pendler-, Familien- und Nutzfahrzeuge mit Sensorboxen ausgestattet. Unser E-LKW ist eins davon.
Beim zweiten Projekt "Lade-PV" geht es darum, die fahrzeugintegrierte Photovoltaik-Technologie des Fraunhofer ISE bis zur Marktreife zu entwickeln, so dass es serienmäßig hergestellt werden kann. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert das Projekt.
Stephan Möllinger: Wir testen die Photovoltaiktechnologie im Alltag: Wie sicher und zuverlässig funktioniert es bei Schnee oder Hagel? Wie verhält es sich auf Feldwegen oder im Straßenverkehr? Was passiert bei einem Unfall? Bei der Entwicklung müssen alle Sicherheitsanforderungen aus Photovoltaik- und Fahrzeugnormen eingehalten werden.
Stephan Möllinger: Unser E-LKW hat jetzt nach mehreren "Generalproben" das vermutlich endgültige Photovoltaik-Modul bekommen. Es wiegt nur 120 Kilo bei einer Dachfläche von 34 Quadratmetern und ist so schlank, dass sich der LKW nur um zwei Millimeter erhöht. Dieses Solarmodul werden wir noch bis Sommer 2022 weiter im Alltag testen. Parallel dazu entwickelt das Fraunhofer ISE mit weiteren Partnern einen wirtschaftlichen Produktionsprozess.
Stephan Möllinger: Der E-LKW ist unglaublich leise! Viele Elektro-Handwerksbetriebe liegen in
Wohngebieten. Dort dürfen wir mit LKW eigentlich erst ab sechs Uhr morgens anliefern. Unsere Kunden brauchen ihre Ware aber schon früh morgens, bevor sie zu den Baustellen aufbrechen. Deshalb sind unsere Fahrer teilweise schon um drei Uhr auf den Straßen. Der E-LKW ist dafür eine charmante Lösung.
Allerdings: Die Reichweite eines E-LKW liegt auch mit zusätzlicher Photovoltaik aktuell "nur" bei maximal 115 Kilometern. Das ist für die meisten unserer Touren noch zu wenig.
Stephan Möllinger: Na ja, erstens wollen auch wir bei Alexander Bürkle unseren Beitrag leisten, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Als Elektrogroßhändler haben wir nur beschränkte Möglichkeiten, unseren CO2-Ausstoß zu senken, denn wir produzieren keine eigene Ware. Aber ein E-LKW, der zusätzliche Energie durch Photovoltaik tankt – das betrifft ja genau unser Kerngeschäft!
Hinzu kommt: Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Vielleicht müssen sich unsere Fahrer in 15 Jahren so oder so auf Elektromobilität im Lastenverkehr einstellen. Da ist es sinnvoll, die Erfahrung schonmal gemacht zu haben. Was sind die Stärken und Schwächen von Elektromobilität im Lastenverkehr? Was sagt ein LKW-Fahrer dazu?
Wenn heute über nachhaltige Mobilität gesprochen wird, denken die meisten Menschen erstmal an E-Autos. Dabei wird oft vergessen, dass der Schwerlastverkehr immerhin sechs Prozent des CO2-Ausstoßes verursacht. Mit dem Projekt "Lade-PV" tragen wir dazu bei, dass sich das ändert und dass Solarenergie im Lastenverkehr irgendwann wirtschaftlich machbar ist.
Bilder: Copyright Fraunhofer ISE