Häuser mit Hirn

Häuser mit Hirn

smart buildings

Wie werden wir leben, arbeiten und lieben? Welche Gadgets begleiten uns im Alltag? Wie sieht unser Zuhause in Zukunft denn aus? Ein forscher Blick in die Zukunft, ein Einblick in das Smart Home.

Spätestens im Jahr 2030 sind wir in Haus, Wohnung und Büro von schlauen Alltagsgegenständen umgeben, die untereinander kommunizieren. Die Technik selbst verbirgt sich, steckt in Tapete, Fenster oder Boden. Gleichzeitig wird uns dauernd ein unhörbares Flüstern umgeben: All diese schlauen Werkzeuge, drahtlos mit Energie versorgt, verbinden sich zu einem Internet der Dinge. Die Systeme werden dann versuchen, die Handlungen des Nutzers zu verstehen und zu vollenden. Die Küche erkennt, was ihr Besitzer backen will, und heizt schon mal den Ofen auf die korrekte Temperatur vor. Produkte bekommen ein Gedächtnis. Auch bei der Arbeit, in Büro, Laden oder Atelier geschehen wundersame Dinge. Denn das smarte Gebäude der Zukunft besticht mit einer ganzen Fülle von Eigenschaften. Dazu gehört, dass es sich optimal an jeden einzelnen Gebäudenutzer anpasst. Beispielsweise können Arbeitsplätze maßgeschneidert temperiert oder die Lichtverhältnisse individuell zugeschnitten werden. Gleichzeitig ermittelt die integrierte Steuerung des Gebäudes die Auswirkungen einzelner Parameteränderungen auf die Gesamtheit der Nutzer und ist so im Zeitverlauf immer besser in der Lage, eine für alle Nutzer optimierte Gesamtsituation herzustellen.

Dank intelligenter Analyse aller Daten kann das Gebäude außerdem vorausschauend handeln: So ist der Fahrstuhl schon da, bevor er per Knopfdruck angefordert wurde und die Anzahl an Mittagessen in der Kantine ist auf die im Gebäude befindliche Personenzahl abgestimmt. Das smarte Gebäude verfügt zudem über individualisierte digitale Navigationsangebote, die jeden Einzelnen an den richtigen Punkt im Gebäude leiten und ihn – wenn gewünscht – auf dem Weg mit passenden Informationen versorgen. Schließlich bietet das Smart Building auch in punkto Sicherheit große Verbesserungen: Es gewährt nicht mehr nur passiv Schutz, sondern reagiert aktiv auf sicherheitsrelevante Veränderungen wie einen erhöhten CO2-Wert, Temperaturanstiege oder eine nicht autorisierte Person im Gebäude.

Bei dem Potenzial ist es nicht überraschend, wenn eine Studie des Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI)schon 2014 großes Wachstumspotenzial für das vernetzte Haus sah. Eine Million Smart Homes bis 2020 seien möglich, sagte damals der ZVEI. Die Zahlen sind überholt. Eine aktuelle Studie, die der Verband der Internetwirtschaft (eco) gemeinsam mit der Unternehmensberatung Arthur D. Little im September 2017 veröffentlichte, kommt zum Ergebnis, dass sich die Umsätze im deutschen Smart-Home-Markt bis 2022 auf 4,3 Milliarden Euro verdreifachen werden.

Studie prognostiziert Umsatzverdreifachung

Die auf der IFA veröffentlichte Analyse „Der deutsche Smart-Home-Markt 2017–2022. Zahlen und Fakten“ prognostiziert, dass die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in den kommenden fünf Jahren bei 26,4 % liegen wird. Die höchsten Umsätze werden demnach in den beiden Marktsegmenten Energiemanagement mit 1,3 Milliarden Euro und Licht- und Fenstersteuerung mit 1,2 Milliarden Euro generiert. Insgesamt sechs Segmente untersucht die Studie – dazu gehören Sicherheit und Zugangskontrolle, Unterhaltung, Gesundheit und betreutes Wohnen sowie Haushaltsgeräte.

Das starke Markwachstum sei getrieben von der steigenden Durchdringung des Smart-Home-Markts. Diese wird sich laut der Studie bis 2022 von aktuell zwei Millionen auf rund acht Millionen deutsche Haushalte vervierfachen. Das wachsende und immer breitere Angebot reiche vom Fenstersensor über digitale Sprachassistenten und Staubsaugerroboter bis hin zu intelligenten Spiegeln. „Im Smart Home sind alle Geräte im und ums Haus vernetzt und interagieren intelligent“, sagt eco-Geschäftsführer Harald A. Summa. „Das Internet bildet die Grundlage, denn es verbindet die Geräte miteinander und ermöglicht ihnen den Datenaustausch. Die Intelligenz hingegen entsteht durch die Analyse von Nutzungsdaten und die Kombination mit Kontextdaten zur Verbesserung der Funktionalität und Steigerung der Bedienerfreundlichkeit.“ Sprachassistenten ermöglichten es, verschiedene Smart-Home-Anwendungen zu steuern, sie werden zu zentralen Bestandteilen des smarten Zuhauses. „Alexa, HomePod oder Google Home kombinieren künstliche Intelligenz und fortgeschrittene Spracherkennung, integriert in häusliche Geräte wie Waschmaschinen, Kühlschränke oder Überwachungsanlagen“, so Summa weiter.

All das sorge für dynamisches Wachstum: Während klassische große deutsche Sektoren wie die Elektro- oder Maschinenbauindustrie in den Jahren 2010 bis 2015 nur um jährlich 0,5 bis sechs Prozent zulegen konnten, wird für den Smart-Home-Markt in den kommenden Jahren ein Wachstum von jährlich knapp 27 % erwartet. Damit Unternehmen das riesige Marktpotenzial ausschöpfen können, müssten sie laut eco jedoch Teil eines funktionierenden Ökosystems werden. Die Verantwortlichen sollten daher offen sein für eine Integration und Kooperation mit Lösungen aus anderen Branchen und Technologien. Als Erfolgsrezept identifiziert die Studie einen hohen Grad des Daten- und Informationsaustausches zwischen den unterschiedlichen Geräten sowie mit einer nutzerfreundlichen Smart-Home-Lösung.

Chancen für den Mittelstand

„Im internationalen Wettbewerb setzen sich Plattformen durch, die durch Offenheit die Innovationskraft von Partnerunternehmen und Start-ups nutzen, um mögliche neue Anwendungen für ein Produkt zu entwickeln und die Wertschöpfung zu teilen“, sagt Lars Riegel, Principal Arthur D. Little. „Das Ziel sollte es demnach sein, mit offenen Systemen zu arbeiten und anderen Zugang zum eigenen Produkt zu bieten, damit neue vernetzte Services entstehen können. In diesem Umfeld sehen wir riesige Chancen für den deutschen Mittelstand.“

Aufholbedarf sieht Riegel vor allem im Bereich smarter Software. „Während zahlreiche deutsche Unternehmen exzellente Hardwareprodukte herstellen, sind die dazugehörigen smarten Anwendungen oftmals sehr limitiert und nur bedingt nutzerfreundlich.“ Um das zu ändern, empfiehlt die Studie Unternehmen, Informationen wie Source Codes preiszugeben und so die Innovationskraft verwandter Industrien und sogar von Konkurrenten zu nutzen.

„Der Smart-Home-Markt ist keine Nische mehr. Unternehmen aus der Consumer Electronic, der klassischen ITK, der Elektroinstallationsbranche sowie Hausgerätehersteller und Energieversorger arbeiten, unterstützt von dynamischen Start-ups, zusammen und entwickeln in einem erstaunlichen Tempo neue, smarte und vernetzbare Geräte“, erkennt auch Stephan Schneider, Vorsitzender der Fokusgruppe Connected Home. In der Fokusgruppe beteiligen sich die Branchenverbände ANGA, Bitkom, GdW, ZVEH und ZVEI sowie Vertreter von Unternehmen, die Smart-Home-Lösungen anbieten. „Vergleichbar mit der Entwicklung zum Connected Car in der Automobilbranche wird sich das Connected Home über die nächsten Jahre immer mehr zum Standard entwickeln“, ergänzt Dr. Gunther Wagner, Direktor Technologie beim Beratungsunternehmen Deloitte.

Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt von Smart-Home-Lösungen steht die Erhöhung von Wohn- und Lebensqualität, Sicherheit und effizienter Energienutzung im privaten Zuhause. Beispiel ist die Heizung, die anhand der Position der Smartphones der Hausbewohner die Temperatur autonom regelt, eine Lösung, die beim Verlassen der Wohnung dafür sorgt, dass alle Energieverbraucher wie Lampen oder der Herd ausgeschaltet werden, oder die Möglichkeit, einem Handwerker aus der Ferne die Wohnungstür zu öffnen, wenn man selbst nicht zuhause ist.

Entscheidend für das rasante Wachstum ist der Prognose zufolge unter anderem ein konsequenter Ausbau der Breitbandnetze in Deutschland. Hilfreich wäre auch die Förderung altersgerechter Assistenzsysteme, um Senioren ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu erleichtern. „Geräte, die sich durch Zuruf steuern lassen oder sich vollautomatisch den Gewohnheiten des Benutzers anpassen, sind keine Spielerei, sondern würden vielen Menschen, etwa Älteren oder Kranken, das Leben erleichtern“, so Schneider. Dem kann Burkhard Schulze vom ZVEH nur zustimmen. Er geht davon aus, dass diese Technik auch zunehmend im Bereich Gesundheit und Pflege eingesetzt wird. So gibt es zum Beispiel Teppichläufer, die mit Sensoren bestückt sind. Falle der Bewohner aus dem Bett, werde automatisch ein Notruf abgesetzt, so Schulze.