Roman Bachofner: 2017 haben wir zum ersten Mal in einem Strategiemeeting über IIoT diskutiert: Wie sehr betrifft uns der Technologietrend? Kaufen wir uns die nötige Fachkompetenz zu oder bauen wir selbst entsprechende Strukturen im Unternehmen auf?
Kurz darauf kam die Firma Rittal mit einem neuen Gerät für Schaltschrankkühlung auf uns zu. Das brachte im Vergleich zu seiner Vorgänger-Version auf einen Schlag 57 Informationen mehr. Die Idee war, diese über ein Serviceportal in eine Cloud kommunizieren zu lassen, um vorausschauende Wartung voll digitalisiert zu ermöglichen.
Wir hätten das Kühlgerät gern in einem Pilotprojekt im eigenen Lager getestet, doch das war aufgrund unserer engen Lagerfläche nicht möglich. Aber so war die Idee geboren, uns über einen bestimmten Projektzeitraum hinweg gezielt Ressourcen einzuplanen, um zunächst unsere eigenen Fragen rund um IIoT zu beantworten – und dann die unserer Kunden.
Roman Bachofner: Interessant bei Alexander Bürkle sind immer herstellerneutrale IIoT-Lösungen. Wir sind als Technologiedienstleister nicht an bestimmte Produkte gebunden, sondern können für jedes Ziel das passende System entwickeln.
Also haben wir Hardware-Komponenten unserer Lieferanten wie Schneider Electric, Weidmüller, WAGO oder ABB getestet und sie mit einer webbasierten Cloud-Software kombiniert. So entstanden individuelle IIoT-Lösungen für zwei erste Pilotkunden – beides sind Filialbetriebe, die mit IIoT ihr Energiemanagement an verschiedenen Standorten verbessern wollten.
Und die zweite wichtige Erkenntnis ist, dass es für IIoT im Bereich der Automatisierung beides braucht: IT-Wissen UND Automationserfahrung. Denn schließlich geht es immer um die Verbindung von Software UND Hardware. Viele der neuen IIoT-Anbieter auf dem Markt sind softwaregetrieben. Sie sind in der IT-Welt daheim und wissen nicht, wie eine 30 Jahre alte Maschine tickt. Unsere Programmierer haben langjährige Erfahrung in der Automatisierung. Das hilft enorm.
Roman Bachofner: Unsere Kunden sind meist in einer ganz anderen Situation als wir es 2018 waren. Der Facharbeitermangel ist immens, gerade im Maschinenbau und in produzierenden
Unternehmen. Die Entscheider und Fachkräfte sind oft erfahrene Leute, die sich aber mit den neuen Begrifflichkeiten und Strukturen erst einmal vertraut machen müssen: "Wieso ist die Darstellung jetzt nur noch webbasiert?" "Welche Cloud kommt in Frage – oder reicht mir Edge Computing?" "Wie setze ich die Netzwerksicherheit um?"
Wir bei Alexander Bürkle haben mit unserer Abteilung Market Management Strukturen geschaffen, um Innovationen gezielt voranzutreiben. Solche Ressourcen hat aber kaum ein mittelständisches Unternehmen. Deshalb machen wir unseren Kunden die ersten Schritte sehr leicht. Wir bieten zum Beispiel mehrere IIoT-Starterkits, in denen ein kostenfreier 30-Tage-Test unserer myiiot-Cloud-Lösung enthalten ist. So können sie mit unserer Unterstützung erst testen und dann entscheiden. "Groß denken, klein anfangen", lautet unsere Devise. Letztendlich braucht es für IIoT oft einen Paradigmenwechsel und neue Strukturen in den Unternehmen. Den Schritt erleichtern wir.
Roman Bachofner: Einer unserer Kunden produziert Reinigungsanlagen für Unternehmen weltweit. Er kam auf uns zu, weil er ein neues Geschäftsmodell anvisierte: Ziel war es, mittels IIoT automatisierte Fernwartungs-Möglichkeiten in den Maschinen einzubauen. Das ist auch gelungen. Auf dem Weg dorthin hat unser Applikationsingenieur Frank Schröder jedoch erst einmal festgestellt, dass die Datenbasis der Steuerungen nicht auf dem aktuellen Stand war. Bei seiner Analyse stellte sich heraus, dass sie bis zu 20.000 unnötige Parameter generierte. Nachdem wir dies gelöst hatten, wurde eine SPS-Steuerung der neuesten Generation eingesetzt – und die ist mit unserer myiiot-Cloud verbunden. Alle Reinigungslagen weltweit sind dort bereits visualisiert, so dass unser Kunde jederzeit die relevanten Daten abrufen kann.
Roman Bachofner: Mit ein bisschen technischer Fantasie ist das Potenzial von IIoT schier unerschöpflich. Um das zu erkennen, braucht man Entwicklergeist und sollte hin und wieder einen neuen Blick auf die Dinge werfen: auf Strukturen, Prozesse oder Produkte. Durch IIoT sind plötzlich riesige Datenmengen auf einen Blick verfügbar. Manchmal merken wir, dass unsere Sensoren Werte erfassen, die bislang nicht im Fokus standen – aber hoch relevant sein können! So ergeben sich völlig neue Erkenntnisse, teilweise sogar neue Lösungen für unsere Kunden.
Und: Daraus entstehen wieder neue Strukturen und Themen für die Automationswelt! In wenigen Jahren werden wir zum Beispiel ganz anders über IIoT-Gateways sprechen, denn diese Gateways werden heute schon in die neue Steuerungs-Generation eingebaut.
Wir alten Hasen, die noch in S5 programmiert haben, haben keine Chance ohne die junge Generation. Wenn der Mittelstand schlau ist, macht er es wie die Technik, die OT und IT verknüpft: Genauso sollten Teams heute immer aus einem erfahrenen Automatisierer und einem jungen Digitalen bestehen. So verändert die Technologie auch, wie wir zusammenarbeiten. Aber letztendlich sprechen wir immer noch über Automatisierungstechnik – nur in einer neuen Dimension.